An meinem letzten Tag in Queen’s waren wir auf Wandertag. Sam hat einen 16er Bus gemietet (und selber gefahren!) und uns nach Bristol ausgeführt. Denn Bristol ist das Wittenberg der Methodisten. Hier hat alles angefangen. Bristol war im Krieg schwer zerstört. Aber die Geburtstätte des Methodismus ist - heute inmitten von Neubauten - verschont worden (am Ende des Weges die altertümliche Tür). |
Und so haben wir „New Room“ besucht, den „Neuen Raum“ – der nun schon ziemlich alt ist. Damals aber hatte man einen Raum, der zu klein wurde und baute deshalb 1739 einen „Neuen Raum“, der bis heute so heißt. New Room ist somit die älteste methodistische Kirche, die auch noch als solche besteht. Heute für höchstens 400 Leute zugelassen, waren vor der Zeit der Brandschutzinspektoren manchmal 1000 Leute versammelt. |
Das ist der Inbegriff von John Wesley: Auf dem Pferd immer unterwegs als Wanderprediger. In seiner aktiven Zeit hat er so drei bis vier Predigten täglich gehalten. | Die Ursprünge des Methodismus gehen auf zwei Brüder zurück – John und Charles Wesley und auf einen Freund und Oxforder Studienkollegen der beiden, George Whitfield. Wie unser Martin Luther auch wollten die Wesleys keine neue Kirche gründen, sondern die bestehende erneuern und reformieren. Was sie aber brachten, war nicht so sehr eine neue Botschaft, sondern die Art und Weise (Methode!) der Verbreitung: nicht in den Kirchen, sondern auf offener Straße, open air sozusagen. Und das muss damals revolutionär, radikal, anstößig gewesen sein. |
John Wesley selber hat in sein Tagebuch geschrieben: Samstag, 31. März 1739: Am Abend erreichte ich Bristol und traf dort den Herrn Whitfield. Anfangs konnte ich mich kaum mit dieser merkwürdigen Art des Predigens auf dem Felde abfinden, von der er mir am Sonntag ein Beispiel gab. Mein ganzes Leben lange habe ich mich in jeder Hinsicht so beständig an Anstand und Ordnung gehalten, dass ich gedacht habe, die Rettung von Seelen sei, wenn sie nicht in einer Kirche geschehe, fast eine Sünde. Montag, 2. April 1739: Um vier Uhr Nachmittag fügte ich mich in die Erniedrigung (I submitted to be more vile) und predigte auf den Landstraßen die frohe Botschaft des Heils; ich sprach von einer kleinen Erhöhung auf einem an die Stadt angrenzenden Flurstück und zu etwa dreitausend Leuten. | Für die methodistischen Studenten aus Übersee ist das wirklich wie nach Wittenberg kommen (oder nach Rom oder Jerusalem, je nachdem wie groß man's haben will). Also werden Erinnerungsfotos für zu Hause gemacht. Hier die vier Studenten aus Sri Lanka. Wasana (links) ist übrigens die, die neulich im Sari-Talar den Gottesdienst geleitet hat. |
Diane aus Kenia (mit der ich zusammen Gottesdienst gefeiert habe) und Charity aus Simbabwe | Sam versucht zu erklären. Sie haben sich vor den Kohleminen im nahe gelegenen Kingswood aufgestellt und dort gepredigt. Das war nicht schicklich, das war unangemessen. Das ist wie Perlen vor die Säue werfen. Wie das Evangelium entweihen. Denn die Zuhörer waren grobschlächtig, ungewaschen, hatten womöglich getrunken oder wer weiß was getrieben. Die moralische Entrüstung kann man heute kaum nachvollziehen. Was für eine Grenzüberschreitung das war, allerdings. Sie haben, wie man das heute nennt, gründlich „ihre Komfort-Zone verlassen“, also das Milieu und den Raum, der ihnen vertraut ist, wo sie sich wohl, komfortabel fühlen. |
Sam sagt übrigens, dass die Methodisten das auch nicht so lange durchgehalten haben. „Die sind schnell auch wieder sehr anständig geworden.“ Und sie haben heute die gleichen Probleme wie alle Kirchen. Wobei Sam meint, sie hätten weniger Probleme, wenn sie nicht so angestrengt eine Kirche sein wollten. Die Wesleys waren Zeit ihres Lebens anglikanische Pfarrer, haben sich so verstanden und haben gepredigt, aber zum Abendmahl die Leute doch in die (anglikanische) Kirche geschickt. Sie haben sich als eine Bewegung in der Kirche verstanden. | Edward aus Ghana. Das ist derjenige, der unablässig gekocht hat in unserer Küche. |
Wir hatten eine Führung durch den New Room und haben dann an einem Abendmahls-Gottesdienst teilgenommen, der dort jeden Freitag um eins gefeiert wird. Als ich das Schild gesehen habe: „Einladung an alle, Abendmahl 13.00 Uhr bis 13.15 Uhr“, da hab ich gedacht – oh, das geht aber fix. Fünfzehn Minuten, da müssen sie sich aber sputen. Aber es war wirklich nicht länger. Eine knappe Liturgie, Gebet, Abendmahl, Segen. Eine schöne, schlichte Atmosphäre; ich hab mich wohlgefühlt und fand das alles sehr stimmig. |
Das Kurioseste heute war, dass der Pfarrer unter den Tüchern auf seinem Altar/Tisch eine Plastiktüte verkramt hatte, aus der er dann nach und nach, wie es gebraucht wurde, auffällig-unauffällig-knister-knaster Hostien auf den Teller nachfüllte. Das war wirklich sehr eigentümlich. Aber was er gesagt hat und wie er es gesagt hat, das war in Ordnung und gütig und vom rechten Geist – deshalb hat mich die Plastiktüte zum Schmunzeln gebracht, aber nicht gestört. |
Na und nun muss ich gerecht sein. Auch wenn Derek Jacobi einen viel besseren Hamlet gespielt hat – fair ist fair. Also, ich korrigiere mich: Regie geführt hat bei Cinderella 2015 Sir, jawohl, Sir Kenneth Branagh.