Ich habe zum Thema gepredigt. Wie auch bei uns gibt es jedes Jahr ein Thema zur Kampagne mit einem Bibeltext. Dieses Jahr war es Psalm 140,12: Ich weiß, dass der HERR des Elenden Sache führen und den Armen Recht schaffen wird. Das sagt in einem Video, das man sich auf der Website anschauen kann eine Frau in Äthiopien, die so arm ist, dass sie es gerade mal Tag für Tag schafft, sich und ihren Kindern eine einzige, karge Mahlzeit zu verschaffen. Sie sagt: „Wenn ich krank werde, dann sterbe ich. Und nach mir meine acht Kinder.“ Sie kann es sich nicht leisten, auch nur einen Tag auszufallen. Und ihr ganzer Glaube hängt an einem: „Ich kann es mir nicht vorstellen, dass Gott mich und meine Kinder verhungern lässt. Daran klammere ich mich. Diese Hoffnung ist alles, was ich hab.“ Ich hab in der Predigt gefragt, woran wir uns klammern. Dass wir in der Versuchung stehen, unseren Glauben als eine Zugabe zum Leben zu sehen und nicht etwas, das unsere ganze Person betrifft. Dorothee Sölle hat das eine „fromme Mittelklasse-Hoffnung“ genannt, dass man glaubt, Glaube gäbe es ohne Konsequenzen fürs restliche Leben als Sahnehäubchen obendrauf zum satten Leben. Noël aus der Gemeinde hier hat mir hinterher ihre Weiterentwicklung des Gedankens erzählt: „Das werde ich mir merken. Mein Glaube ist kein Victoria Sponge, sondern ein Lemon Drizzle.“ Victoria Sponge ist ein Kuchen mit Sahnehäubchen; Lemon Drizzle ist ein Zitronen-Rührkuchen, wo, wie der Name es sagt, der Zitronensaft durch den ganzen Kuchen „drisselt“.
Gail in der Gemeindeküche | Dann war Christian Aid Lunch. Also ein gemeinsames Mittagessen in der Kirche. Das wurde im Wesentlichen von Gail gekocht (die sich bei der Vorbereitung auch partout nicht helfen lassen wollte; solche Menschen gibt es). Sie hat Lasagne gemacht. Aber die Nachspeisen immerhin kamen von verschiedenen Leuten. Zu dem Essen musste man sich anmelden, damit die Mengen kalkuliert werden können. Sinn der Sache ist, dass das Essen spendiert ist. Die Gäste aber bezahlen dafür – mit einer Spende in selbst gewählter Höhe für Christian Aid. Das war eine schöne Runde, die da zusammen kam. |
Übrigens waren wegen der hinterher aufzubauenden Tafeln die Bänke auch zum Gottesdienst anders gestellt gewesen. Nämlich längs in je zwei Reihen gegenüber. Das ist keine Ideallösung, weil die Reihen doch sehr lang waren. Besser wäre es, man hätte Stühle, die man schön im Oval aufstellen kann – und danach zu Tafeln umstellen. Aber Stühle dürfen ja erst nach dem Gerichtsurteil angeschafft werden – also nicht vor September. | Links sitzen Carol, Fred und Noël, alle drei im GKR. Rechts Sarah und Chris. Chris ist ein Multifunktionär: Gemeindekirchenrat, Herausgeber des Kirchenblattes, neurdings auch Kirchrechner und - mit seiner Frau Carol Street Pastor. |
Die Familie mit den drei Kindern ist immer im Gottesdienst. | Als ich reinkam, schimpften gerade welche über die Anordnung der Bänke. Ich sag noch harmlos, das sei, damit man nachher schnell zu Tafeln umordnen kann. „Pah! Das hat man doch schnell organisiert. Nein. Uns gefällt das nicht! Wir wollen das nicht!“ Oh. Ich hatte es anscheinend mit der Pew-Fraktion zu tun. (Pew heißt Kirchenbank; also der Fraktion, die den Pfarrer samt Gemeindekirchenrat verklagt hat, weil die die Bänke abschaffen wollen.) |
Und in der Tat hat sich eine kleine Gruppe von sechs oder sieben Leuten während des Gottesdienstes ins Seitenschiff gesetzt (wo die Bänke „richtig herum“, also zum Altar gerichtet, standen). Damit haben sie uns zwar den Rücken zugekehrt, den ganzen Gottesdienst lang. Aber Protest ist Protest. – Kopfschüttel, Kopfschüttel. | Andrew und Gail |
Im Kreuzgang von Worcester Cathedral | Und dann bin ich am Nachmittag nach Worcester gefahren. Ich wusste dass in dieser Woche eine Gruppe „NOPs“ aus der EKM da sind. NOP ist der englische Versuch, kurz zu beschreiben, was hier ein „Kurat“ wäre. Nämlich ein „Newly Ordained Pastor“, ein neu ordinierter Pfarrer. Und ich wusste, dass meine deutschen Kollegen (also die im ersten Amtsjahr sind) das Abendgebet in der Kathedrale von Worcester im Programm haben. Und dass Charlotte sie begleiten wird, vor Jahren mal Praktikantin in Eisenberg, jetzt Mitarbeiterin in der Ökumene-Abteilung des Landeskirchenamtes. |
Ich also auf nach Worcester. Und da kam die Gruppe und Charlotte war auch dabei, wie schön. Und dann… Ich denk, ach ja! Natürlich! Im ersten Amtsjahr ist ja auch Johannes! (Für alle weiter weg von Eisenberg – Johannes war Praktikant bei uns, dann Vikar und ist jetzt lieber Kollege in Schkölen, zehn Kilometer nördlich von Eisenberg.) Das war aber schön, sich zu sehen! Er wusste zwar, dass ich in England bin, hat sich aber nie Gedanken gemacht, wo genau. Überraschung von beiden Seiten. | In dem Chorgestühl fand der Evensong statt. Im Hintergrund vor dem Hochaltar der Sarkophag von Magna-Charta-König Johann |
Stephen Hawking zu Erdbeer-Käsekuchen mit Vanilleeis in Worcester | In dem Kapitel, das ich im Moment in der Mache habe, geht es um die Frage: „Warum erinnern wir uns an die Vergangenheit, aber nicht an die Zukunft?“ Um auf diese Frage zu kommen, muss man entweder ein kleines Kind sein oder ein geniales Hirn. Im Raum kann ich vorwärts und rückwärts gehen. In der Zeit nicht. Warum? Hawking behauptet, es gäbe drei „Zeitpfeile“ (also Zeitstrahlen, die nur in eine Richtung gehen). Der erste sei der thermodynamische Zeitpfeil: Das ist ein Gesetz, dass in einem abgeschlossenen System alles immer nach Unordnung und Chaos hinstrebt. |