Heute war Ruhe in den Gemeinde, wie sich das für Karsamstag gehört. Aber das Wetter versprach besser und besser zu werden (tat es auch). Also bin ich unter die Touristen gegangen und war im „Black Country Living Museum“. Das stand schon länger auf meiner Liste. Bisher hatte es immer nicht gepasst. Also. Black Country. In Queen‘s war ein junger Student, der sprach einen auffälligen Dialekt. Ich hab ihn gefragt, wo er herkommt: Aus dem Black Country. Schwarzes Land, wird das Industriegebiet nördlich und westlich von Birmingham genannt. |
Schwarz ist es deshalb, weil man nur ein bisschen kratzen muss und auf Kohle stößt. Das ist bis heute so. Dennoch ist es heutzutage zu teuer, in Europa Kohle zu fördern. Black Country war bis Mitte der 70er Jahre Industrieland für Kohle und Stahl – und hat sich seither gewandelt, ähnlich wie das Ruhrgebiet. Das Black Country wird auch definiert durch Dialekt, Zusammengehörigkeitsgefühl und Stolz – bis heute. | Diese Brücke stammt aus Wolverhampton und wurde hierher verpflanzt. So ist es mit den meisten Dingen hier im Freiluft-Museum. Vieles ist mehr oder weniger künstlich aufgebaut, aber so wie es in dieser Gegend wirklich gewesen ist. |
Das ist in einem Radio-Reparatur-Laden. Weiß noch jemand, was in diesen Schachteln ist? Jawohl, Radio-Röhren! | Und Black Country Living Museum ist ein Freiluft-Museum über die Zeit zwischen 1850 und 1930. Es hat vor 40 Jahren klein angefangen auf einer Brache und wird seitdem immer mehr erweitert. Man kann in ein Bergwerk einsteigen. Man sieht Geschäfte, wie sie früher waren. Man sieht aber auch Häuser, wie sie damals waren. |
Man kann in die Wohnstuben hineinschauen. Und manchmal sitzen in den Wohnstuben Menschen und trinken ihren Tee und erzählen über ihr Leben. Das sind keine Schauspieler, sondern „Freund des Museums“, die das freiwillig und aus Verbundenheit machen. Die Ehefrau sieht man schlecht, die sitzt links und macht Handarbeiten. Seit 27 Jahren sitzen die beiden jedes Wochenende in "ihrer" Hütte und erzählen über das Leben im Black Country. Die "Spitzendeckchen" am Regal sind übrigens aus Zeitungspapier geschnitten. Echte Spitze war unerschwinglich in diesen Hütten. |
Ein wichtiger Industriezweig im Black Country war Kettenschmieden. Im Museum gibt es Demonstrationen, wie das ging mit dem Ketten schmieden. Dazu hat der Schmied erklärt, wie die Arbeitsbedingungen um 1900 gewesen waren. Ein Mann hat 35 Kettenglieder pro Schicht geschafft, das sind etwa zwei Meter Kette. Er hat sechs Stunden gearbeitet, sechs Tage die Woche. Mehr Stunden waren nicht möglich wegen der Hitze. |
Und auch so sind Kettenschmiede mit der Zeit blind geworden. Sie haben ohne Schutzbrille gearbeitet. Das heißt, sie haben noch Stunden nach Feierabend das Abbild des glühenden Kettenstückes und des Feuers auf ihrer Netzhaut gesehen. Und irgendwann ist es nicht mehr weggegangen. (Das ist dasselbe wie die Warnungen, nicht in die Sonne zu sehen, wenn Sonnenfinsternis ist.) | Hier sieht man die Arbeitsschritte für ein Kettenglied. |
Im Workers Institute, einem Versammlungshaus für Arbeiter und Arbeiterinnen, ein Gewerkschaftsbüro. Nach und nach hat man Lohnerhöhungen erkämpft. Gleichen Lohn für Frauen gab es erst 1970. | Um 1900 haben Männer £1 pro Woche verdient. Frauen haben auch in Kettenschmieden gearbeitet; sie haben dünnere Ketten hergestellt. Sie bekamen 5 Schilling wöchentlich für die Arbeit (also ¼ Pfund). Sie hatten keine festen Arbeitszeiten, sondern wurden nach Stückzahl bezahlt: „Man gab ihnen eine bestimmte Menge Eisen, sie mussten sie zu Ketten machen. Wenn sie schnell fertig waren, konnten sie heim, wenn nicht, mussten sie länger arbeiten.“ Das Geld, das Männer verdient haben, gehörte den Männern. Das Geld, das Frauen verdient haben, gehörte der Familie. Das heißt, wenn die Männer fertig waren, gingen sie in den Pub mit ihrem Geld. |
In einer Hinsicht war es nicht gut, heute das Museum zu besuchen. Es war natürlich gepackt voll über die Feiertage. Aber – es gab auch Nischen. Manchmal ist es dort am interessantesten, wo die wenigsten Menschen sind. Ich kam zufällig dazu, wie eine Tour durch die „Docks“ begann. Ein Teil des Museums ist Hafengelände – Kanalhafen. Und die Führerin – in historischem Kostüm – erzählte zwei Frauen und mir alles über die Kanäle und die Boote. |
Das ist die Kabine, die Wohnraum für eine vierköpfige Familie ist - manchmal auch für mehr Personen. | Zum Beispiel habe ich gelernt, warum es neben den Kanälen die Wege gibt, die man heute spazieren kann: weil manche der Boote mit Pferden fortbewegt wurden. Die liefen dann nebenher. Andere wurden natürlich mit Maschinen betrieben. Ungefähr 30 Tonnen fasst so ein Boot. Manche fuhren nur kurze Strecken. Manche bis London oder Liverpool. Da wohnte dann die Familie auf dem Boot in einem winzigen Raum. Die Führerin sagt, dass 1880 festgelegt wurde, wie viel Raum eine vierköpfige Familie braucht – also geschätzt waren das 8 qm. (Heute sind das mehr, die als ausreichend betrachtet werden. Aber Großbritannien liegt immer noch auf der unteren Skala, was Menschen an Wohnraum zugestanden wird. Diese Woche bin ich mit Andrew an Sozialwohnungen vorbei gekommen und er hat mit erzählt, wie ärgerlich er ist, dass die Stadt so etwas baut für die Armen. Da müsse es ja zu familiärer Gewalt kommen, wenn die so dicht aufeinander hocken.) |
Und eine Kirche haben sie auf dem Gelände. Die hat nicht exakt dort gestanden, sondern ein paar Meilen weiter und man hat sie originalgetreu hierhin gebaut. Und es ist – natürlich – eine methodistische Kirche. Wenn man bedenkt, wo der Methodismus herkommt (siehe 27. März), ist es kein Wunder, dass in einem Arbeiterviertel eher die Methodisten zu finden sind als die Anglikaner. | Das ist - bei einem lebendigem Museum - eine echte Kirche. Sie ist als Kirche wieder eingeweiht worden. Ostern wird dort auch Gottesdienst sein. |