Bei Weiße Rose denkt man in Deutschland eher an Sophie Scholl, bei Rosenkrieg an ein Ehedrama. Also – für alle, die „Die Weiße Königin“ weder gesehen noch gelesen haben: Da war einmal vor 650 Jahren ein König Edward III. Der hatte fünf Söhne, die waren die Herzöge von Cornwall, Clarence, Lancaster, York und Gloucester. Edward war nicht lang tot, da bekamen die und ihre Nachkommen sich ordentlich in die Haare. Übrig blieben zwei Linien, die von Lancaster und York. Die führten ab 1455 Krieg um die Krone. Das nannte man den Krieg der Rosen. Denn Lancasters Symbol war die rote Rose; die Yorks hatten die weiße Rose als Zeichen. |
Schließlich sah es so aus, als hätten Yorks die Oberhand. Ihr Oberhaupt Edward IV. regierte, hatte einen ganzen Batzen Kinder, darunter zwei Söhne. Außerdem zwei Brüder und zwei Neffen, also reichlich Thronfolger zur Auswahl. Lancaster dagegen war beinahe ausgestorben. Nur noch ein entfernter Nachkomme, um drei Ecken verwandt, hatte Ambitionen, ein gewisser Henry Tudur, Sohn eines walisischen Adligen. Und dann ging es los. Edwards Bruder George plante den Aufruhr – also „musste“ Edward seinen Bruder hinrichten lassen und seinen Neffen von der Thronfolge ausschließen. Dann stirbt er selber mit Anfang 40, ehe seine Söhne erwachsen sind. Sein jüngerer Bruder Richard soll Vormund der Söhne werden. | A king falls - ein König fällt. |
Richard III. Statue von 1980 in Leicester | Der lässt die Jungs in den Tower bringen, das war damals mehr Palast als Gefängnis! Dort werden sie aber im Sommer 1483 zum letzten Mal gesehen. Und außer, dass sie mittlerweile mit Sicherheit tot sind, weiß man bis heute nicht, was aus ihnen geworden ist. Dann stirbt auch noch Richards Sohn, kurz darauf seine Frau – und schon ist in kürzester Zeit von den sieben weißen Rosen nur noch eine übrig, König Richard der III. "Mit dem werde ich’s doch wohl noch aufnehmen können", sagt sich Henry Tudur und kommt mit einer Armee aus dem französischen Exil. Man trifft sich am 22. August 1485 in den Midlands bei Leicester. Der Ausgang ist bekannt. Richard wird in der Schlacht bei Bosworth (so heißt eines der Dörfer in der Nähe) getötet und Heinrich VII. wird der erste Tudor-König. |
Dort wo die Schlacht war, steht ein „Visitor Centre“, eine Art Museum. Dieses Museum hat ein Problem, auch wenn sie das öffentlich nicht zugeben. Es steht an der falschen Stelle. 1974 geöffnet, 1985 zum 500. Jahrestag der Schlacht erweitert. 2007 mit Lottomitteln (wie vertraut das doch klingt) auf Vordermann gebracht – hat man 2010 endlich archäologische Untersuchungen angestellt, wo denn nun die Schlacht stattgefunden hat. Und es war buchstäblich meilenweit entfernt vom Museum. | Auf diesem Hügel gleich neben der Gedenkstätte, hat die Legende die Schlacht stattfinden lassen. In Wirklichkeit war alles anders. |
Auf dem Bosworth-Wanderweg steht diese Sonnenuhr. Ihr Schatten kriecht über den Boden - wo dann die Ereignisse dieser Stunde stehen. Gegen zwei, als ich dort war, war die Schlacht schon vorbei. Gegen zwölf heißt es: "A king falls" - ein König fällt. | Man hat zum einen durch Bodenuntersuchungen nachgewiesen, wo der Sumpf gewesen ist, in dem Richards Pferd gestolpert ist. Und man hat mit Metalldetektoren Reste der Schlacht gefunden. Kugeln, Spangen, Münzen… Nicht viel, denn tote Soldaten wurden damals gründlich ausgeplündert, bevor sie begraben wurden – von überlebenden Soldaten und den Bauern im Umkreis. Wäre auch zu schade, das alles zu begraben. Und es war alles ganz woanders. Also muss sich das Museum behelfen. Innen wird die Geschichte der Schlacht erzählt. Und außen gibt es einen "Bosworth-Wanderweg" – der führt an zwei „Aussichtspunkten“ vobei - da kann man dann mal in die Richtung gucken, wo es wirklich passiert ist. |
Das Museum ist für Kinder gemacht; da hab ich nichts gelernt, was ich nicht schon gewusst hätte. Was aber gut ist (das wird heutzutage so gemacht): Es wird nicht nur die Geschichte der Könige erzählt. Auf Bildschirmen erzählen verschiedene Leute über die Schlacht. Ein Bogenschütze. Der war einfacher Bauer. Aber damals mussten alle englischen Bauernjungs vom siebenten Lebensjahr an jeden Sonn- und Feiertag nach der Kirche Bogenschießen trainieren. Wenn die Herrschaft dann rief, musste er in die Schlacht, ob er wollte oder nicht, ob er verstand worum es geht oder nicht. Eine andere Geschichte erzählt eine Soldatenfrau. Henry kam mit Söldnern, also Berufssoldaten aus Frankreich. Die hatten ihre Familien dabei. Die Frauen sorgten für die Verpflegung der Truppe. | Ein Dienstmädchen aus der Herberge, in der Richard seine letzte Nacht verbracht hat, erzählt die Geschichte. |
Die Abstimmung steht 50 - 50 mit leichtem Vorteil für Richard (rechts), schätze ich. Wo ich meinen Chip reingeworfen haben? Wahlgeheimnis! | Mit der Eintrittskarte bekam man einen Plaste-Chip. Den durfte man am Ende in einen Abstimmungskasten werfen. Wer hätte den besseren König abgegeben? Was Richard gemacht hätte, weiß man nicht. Er begann ganz gut in den zwei Jahren seiner Herrschaft. Hat Gesetze gegen Korruption erlassen. Was aus Henry geworden ist, wissen wir nur zu gut. Er wollte dem Land eigentlich einen historisch verbürgten König Arthur verpassen. Das hat nicht geklappt, weil Arthur als Teenager gestorben ist. Also musste sein zweiter Sohn ran, Heinrich VIII. Und dem hat England eine Menge zu verdanken – darunter nicht zuletzt die anglikanische Kirche. (So gesehen wäre ich heute vielleicht nicht hier, wenn Richard gewonnen hätte – na wie seltsam ist das?) |
Dass Richards Gebeine unter einen Parkplatz gefunden wurden, das hat sich ja in der Welt herumgesprochen. Das war aber kein Zufall, so nach dem Motto: Wir buddeln hier unschuldig in einem Parkplatz rum und – ach du Schreck, wir finden einen König! Er ist gezielt gesucht worden. Es hat nämlich immer Fans von Richard III. gegeben, die ihn gegen die Verleumdungen eines gewissen Herrn Shakespeare verteidigen wollten. (Shakespeare hat unter den Tudors gelebt. Der konnte gar nicht anders, als Richard III. zum Bösewicht machen.) | Nachdem man die Echtheit derKnochen nachgewiesen hatte, wurde der Parkplatz wieder aufgebuddelt, unter Glas gelegt und eine kleine Gedenkstätte drüber gebaut. Hier hat er also 500 Jahre lang gelegen, bevor er 80 Meter weiter östlich in die Kathedrale kam. |
Gesichtsrekonstruktion Richard des III. Angela Montenegro lässt grüßen. | Und Richard-Fans ist mit der Entdeckung der Gebeine ein großer Coup gelungen. Das wird in Leicester dann haarklein erzählt. Auch, auf welche Art durch Untersuchung der Knochen die genaue Todesursache gefunden wurde (ein Schwerthieb in den Hinterkopf) und wie man das mit der Gesichtsrekonstruktion macht. Aber das lernt man natürlich auch, wenn man nur eine Folge „Bones“ guckt. |
Seit vorletzter Woche liegen die Gebeine nun in Leicester Cathedral. Und sie liegen schön da. Man hat keinen „auf Mittelalter“ gemacht und auf Kitsch und Schmalz verzichtet. Es ist ein schönes, für einen König sogar schlichtes Grabmal. Natürlich profitiert die Stadt Leicester davon (aber dieser Stadt kann man das auch gönnen). Es ist sichtbar Geld in Gestaltung des Umfeldes der Kathedrale geflossen. |
Hinter den Osterglocken sieht man das neue Chorgestühl. | Und auch die Inneneinrichtung der Kirche hat gewonnen. Bei der Gelegenheit ist man mit einem Schlag das ganze viktorianische Mobiliar losgeworden. Denn das alte Chorgestühl musste raus, um dem Grabmal Platz zu machen. Stattdessen wurde ein modernes gebaut und mitten in die Kirche gesetzt. Hat doch alles sein Gutes; die Kirche bietet einen frischen, modernen Anblick. Der Besucheransturm hält sich allerdings in Grenzen. Obwohl heute noch Feiertag war, war es ruhig. Es war sehr viel ehrenamtliches Personal da – man hat offenbar mit mehr gerechnet. |
Ich bin noch zum Abendgebet geblieben. Das war schön und schlicht. Und die Pastorin hat in der freien Fürbitte nicht nur für private Sorgen gebeten, sondern auch für politische Nöte im Lande. Für Steuergerechtigkeit und Rentner mit Mindestrenten. Und für die anstehenden Wahlen, dass die Politiker weniger labern, stattdessen „das Niveau der Debatte steigen möge“, denn das Land stünde vor ernsthaften Herausforderungen. Ich weiß nicht genau, was der Herr im letzten Fall ausrichten kann. Obwohl, wenn ich nochmal darüber nachdenke, er könnte seinen Geist schicken. Nötig wäre es. Leicester Cathedral ist für eine Kathedrale eigentlich gar nicht so groß. Sie ist eben halt nur Bischofssitz. Deshalb ist die Kirche St. Martin zur Kathedrale befördert worden. |