Ich bin doof mit Smartphones. Aber morgen läuft mein Konto für die britische SIM-Karte ab. Also musste etwas unternommen werden, um sie zu verlängern. Also bin ich der Einfachheit halber in den Laden gegangen, wo ich die Karte her habe, hab mein Handy vorgezeigt und gesagt, was ich brauche. Das letzte Mal hat mich (vermutlich) ein Russe bedient. Das ging ganz gut. Heute waren es zwei Inder (oder Pakistani). Und mir hat es nicht viel genutzt, dass ich ganz passabel Englisch spreche. Denn die beiden konnten nicht wirklich Englisch. Am Ende habe ich – glaube ich – erreicht, was ich wollte. Allerdings – glaube ich – wollten sie mir zwischendurch eine neue SIM-Karte andrehen. So doof mit Smartphones bin ich dann aber doch nicht.
Heute Vormittag gab es wieder Mystik mit Helen. Es ging um Clara von Assisi. Die war eine Adlige im 13. Jahrhundert. Als junge Frau hat sie Franz von Assisi, der damals als Mönch schon etabliert und bekannt war, kennen gelernt. Manche sagen, sie war in ihn verliebt oder es war gar eine gegenseitige Liebesgeschichte. Helen denkt das nicht. Sie denkt, Clara wollte einfach selber über ihr Leben bestimmen. Sie wollte Mönch werden wie Franziskus. Aber das ging natürlich nicht. Als Tochter aus gutem Hause hatte sie zwei Optionen: Einen reichen Mann heiraten oder in ein Benediktinerkloster eintreten. Letzteres hätte zum einen bedeutet, dass sie den Rest ihres Lebens die Klausur des Klosters nicht mehr verlassen darf. Man hätte sie weggesperrt. Und sie hätte Geld gebraucht. Das Kloster hätte nicht anders als potentielle Schwiegereltern eine Mitgift verlangt. Beides wäre vor allem eine Geschäftsangelegenheit gewesen. Clara läuft stattdessen von zu Hause weg, gibt – wie Franziskus zuvor – ihren ganzen Besitz weg und legt vor Franziskus die Gelübde ab. Damit war sie außerhalb des Systems. Für so eine wie sie gab es keinen Platz. Sie hat lange gebraucht, um mit Franziskus Hilfe diesen Platz zu schaffen. Schließlich entstand der Orden der Clarissinnen. Clara hat die Ordensregel verfasst und es war die erste Ordensregel der Geschichte, die eine Frau für Frauen geschrieben hatte. Sie musste jahrelang mit verschiedenen Päpsten vor allem um eine Passage kämpfen: um das „Privileg der Armut“. Warum war ausgerechnet das so schwer? Helen meint: Für eine Frau aus gutem Hause schickte es sich einfach nicht zu betteln. Wer weiß, was so ein schwaches Weib am Ende tut, um sich ernähren zu können.
Eine Mitstudentin fragt, was das mit Mystik zu tun hat. Mystik, das meint die Versenkung in Gott, das Eins Werden mit Gott. Was hat das mit Verzicht auf Güter zu tun? Helen gibt zu bedenken: Die Dinge, mit denen wir uns umgeben, haben zumindest die Tendenz, uns vor uns selber abzuschirmen. Und damit vor Gott.
Am Nachmittag nach meiner Smartphone-Aktion bummle ich noch ein bisschen durch das Einkaufszentrum am Bullring mitten in der Stadt. Eine große Glitzerwelt. Baustellenlärm. Straßenmusiker. Manche beherrschen ihr Instrument, manche können nur vier Takte. Vor der Kirche St Martin ein offensichtlich psychisch kranker Mann, der nicht aussieht, als hätte ein zuhause. Ich stöbere durch den Buchladen Waterstones und finde mindestens zehn Bücher, die mich auch noch interessieren könnten. Aber ich hab ja schon ein Buch. Genau genommen sogar einen ganzen Stapel, den ich noch nicht gelesen habe… Und ich denk an Clara. Und ich denk an Joseph und die Ökonomie des Imperiums. |
Vor einem Geschäft steht ein Eifriger und liest tapfer lautstark aus der Bibel vor. Ich erkenne die Offenbarung des Johannes. Er liest: „Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen...“ |
Meine Oma hieß übrigens Clara. (Sie war – nicht sehr glücklich – mit Paul verheiratet.) Ich erinnere mich: Die hat nie etwas gekauft. Alles, was man brauchte, wurde „geholt“. Egal ob es Milch war oder neue Schuhe. Ich glaube, dass damit Geld verbunden war, hatte für sie etwas Unfeines, das besser nicht erwähnt wurde. | Kerstin am Bullring |