Diana ist 76 Jahre alt. Sie ist in Evesham geboren. Sie hat mal 1 ½ Jahre in Glasgow gelebt. Ansonsten hat sie ihr ganzes Leben hier verbracht. Ihre Familie lebt im Fährhaus. Denn Evesham hat eine Fähre. Nur für Fußgänger. Die Fähre gibt es, sagt Diana, seit dem 13. Jahrhundert. Als nämlich die Mönche hier Landwirtschaft betrieben haben, wuchs auf der anderen Flussseite ihr Wein. Um zum Weinberg zu kommen, hätte man meilenweit um die ganze Flussbiegung herum laufen müssen. Mit einer Fähre aber war man von der Abtei aus schnell da. Diana erzählt, dass es heute Pläne für eine Fußgängerbrücke gibt. Das begrüßt sie, das würde doch die Dinge einfacher machen. |
Früher wurden die Spargel zu Sechserpacks zusammengebunden, erzählt Diana (und führt es bis heute Touristengruppen vor, wie das geht). Und dann wurden jeweils sechs dieser Pakete mit Weide zu handelsüblichen Verpackungsgrößen. Deshalb stehen die Weiden auf dem Grundstück. Die hat ihr Vater gepflanzt, weil es ihn geärgert hat, dass er Weidengerten zum Spargelverpacken kaufen muss. Als allerdings die Weiden groß genug waren, dass man ihre Zweige hätte verwenden können, da hatte die Familie die Spargelzucht schon aufgegeben. Auf den ehemaligen Feldern stehen jetzt 70 Ferienbungalows. | In dem Haus übern Fluss, da wohnt Diana und ihre Familie. Rechts vom Haus haben bis vor kurzem noch große schwarzwälder Fichten gestanden. Auf dieser Flussseite eine der Weiden, die Dianas Vater gepflanzt hat. |
Sie erzählt auch vom Krieg. Da war sie klein. Sie hat damals gedacht, dass sie ganz in der Nähe von London wohnt. Denn ein BBC-Nachrichtensprecher hat während des Krieges bei ihnen im Fährhaus gewohnt. Und dann hat er sich immer zur Arbeit aufgemacht und eine halbe Stunde später hat Diana ihn im Radio gehört: „Hier sind die BBC-Nachrichten aus London…“ Nur dass man damals nicht aus London gesendet hat, wegen der Bomben. Man konnte ja schlecht sagen: „Hier kommen die BBC Nachrichten aus Hampton House…“ Diana erinnert sich auch an fünf deutsche Kriegsgefangene, die sie bei sich arbeiten hatten. Das seien ganz nette Menschen gewesen. Zu einem hätten sie nach dem Krieg auch noch Kontakt gehabt. Der hat in Freiburg/Breisgau gewohnt. Von einer der Reisen haben Dianas Eltern Fichtensetzlinge aus dem Schwarzwald mitgebracht, die bis dieses Frühjahr auch am Haus gestanden haben.
Diana war zweimal Bürgermeisterin von Evesham. Und zweimal war ihre Sohn Bürgermeister. Das ist man hier immer für ein Jahr, und zwar ehrenamtlich. Die Stadträte wählen einen oder eine aus ihren Reihen als Geschäftsführer – das ist dann der oder die Bürgermeister/in. „Du glaubst ja nicht, was man da alles erlebt.“ Da war sie in Frankreich in der Partnerstadt eingeladen. Da gab es am letzten Abend einen Ball. Man schlug ihr vor, sich vor dem Ball frisch zu machen. Ob sie nicht ein Bad nehmen wolle? Das Bad sei in der oberen Etage. Diana hat sich schon vorher still über das vornehme Interieur des feinen französischen Hauses amüsiert. Das Bad allerdings hat sie vom Hocker gehauen. „Also ich kichere ja nicht, wenn ich allein bin. Ich bin keine so alberne Person. Aber da kam ich – ganz für mich alleine – aus dem Lachen nicht mehr raus.“ Das Bad war an allen vier Wänden, am Fußboden und an der Decke – verspiegelt! „Ich hab mich unendlich viele Male gesehen! Ich konnte es nicht fassen!“
Im Jahr 1900 hat die Londiner Zeitschrift "Punch" vier Fotos gedruckt, die zur damaligen Jahrhundertwende symbolisiren sollen, was "typisch englisch" ist. Eines der vier Fotos zeigt die Fähre von Evesham. | Dreimal hat sie in ihrer Eigenschaft als Bürgermeisterin auch die Königin getroffen. Das Schönste war die Weihnachtsfeier, da waren „nur“ 200 Menschen da. Da war sie eingeladen, weil Evesham den Wettbewerb „Blühendes Großbritannien“ gewonnen hat, also einen Wettbewerb der Blumenrabatten und -ampeln. Man stand die ganze Zeit – da die Königin nicht saß, durfte niemand sitzen. Neben ihr stand ein Mann, der war eingeladen, weil er als Pilot während einer Flut Menschen gerettet hat. Die Königin kam dann von Person zu Person und führte Konversation. Leider wurde Diana ausgerechnet mit der Frage konfrontiert, ob sie Geranien mag. Man hatte die Queen offenbar unterrichtet, dass sie wegen des Blütenreichtums in ihrer Stadt da war. Diana mag keine Geranien. |
In diesem Land wird ja alles in Könige umgerechnet. Vorletzten Sonntag, als ich mit den Quäkerfrauen im Café saß, haben sie etwas aus der Anfangsgeschichte der Quäker erzählt. 1662 hätte Georg Fox, der Begründer, an den König appelliert, dass man sie doch bitte nicht mehr verfolgen möge. Die Frauen überlegten, welcher König das gewesen sein könnte. Ich sag: 1662, das muss Charles II. gewesen sein. Da haben sie gelacht, dass sie eine Deutsche brauchen, um ihre Könige in die Reihe zu kriegen. | Charles II. in Moseley Old Hall |
Mit seiner Klinker-Optik sieht das Haus eigentlich viktorianisch aus. die Klinker sind aber einfach auf die alte elisabethanische Fachwerkfassade geklebt worden. | Charles des II. Vater war Charles I. Den hat Oliver Cromwell 1649 geköpft. Seine Frau hat er laufen lassen; die ist mit den Kindern nach Frankreich emigriert. Soviel wusste ich bisher. Heute habe ich noch ein bisschen mehr dazu gelernt. Ich war in Moseley Old Hall bei Wolverhampton. Ich hatte ein paar Stunden Zeit und wollte nicht zu Hause rumsitzen. Das Wetter war gemischt (nach einem maiigen, sonnigen April, gibt es jetzt einen aprilligen, launischen Mai). Also schien ein Haus eine gute Idee. „Ein atmosphärisches elisabethanisches Haus, das einen König gerettet hat.“ Das war die Ankündigung auf der Website. Mehr wusste ich nicht. |
Es stellte sich heraus, dass Charles II., der beim Tod seines Vaters 19 Jahre alt gewesen ist, das nicht auf sich beruhen lassen wollte. Zwei Jahre später kam er über den Kanal und versuchte, sich seine Krone zu holen. Die Schotten haben ihn auch anerkannt; dort hat er sich krönen lassen. (In Schottland fand man überhaupt die ganze Sache mit dem König köpfen gar nicht schön.) Aber in England ist er geschlagen worden. Und zwar 1651 in der Schlacht von Worcester. | Das ist der Blick von drinnen auf den alten Eingang. Da wurde manchmal ängstlich rausgelunzt, ob die Häscher kommen. |
Das war damals - natürlich ohne Asphalt - eine Hauptstraße. | Nach der Schlacht ist er auf abenteuerlichen und verschlungenen Wegen geflohen. Und ist unter anderem in Moseley Old Hall versteckt worden. Wieder einmal ein katholisches Haus, das ein eingebautes Priesterversteck hatte, welches nun dem König angeboten werden konnte. Schließlich ist es ihm gelungen, nach Frankreich zurückzukehren. Erst 1660, nach Cromwells Tod, kam er als König Charles II. zurück – also in der Zeit von George Fox und den Vorfahren von Diana in Evesham… |
Eines habe ich dabei noch gelernt: warum es in England so viele Pubs gibt, die „Royal Oak“ heißen (deutsch: Zur Königs-Eiche). Weil sich Charles auf der Flucht von den Cromwell-Truppen auf einer Eiche versteckt hat. Die Soldaten sind unten lang getabert und haben einfach nicht nach oben geguckt! Nachkommen der echt-originalen „Königs-Eiche“ (auf der Charles also richtig und in echt gesessen hat) soll es noch geben. Behauptet man. Auf jeden Fall gibt es unzählige Pubs, die mit ihrem Namen an das Versteck eines Königs erinnern. | Der Herr stolzierte im Garten herum. |