Erzählt wird in bebilderten Interviews die Geschichte eines Pferdes. Das Besondere an dem Pferd war, dass seine Besitzer nicht so waren wie die üblichen Pferdebesitzer in diesem Land. Die sind traditionell, reich und/oder adelig. Das Pferd im Film gehörte einer Gruppe von schlichten Menschen in einem walisischen Bergarbeiterdorf.
Im Zentrum steht Jan (sprich: Djenn), eine Frau mit einer Vision. Sie hat sich, so erzählt sie rückblickend, gedacht, warum züchte ich nicht ein Rennpferd? Wie man züchtet, hat sie als Kind bei ihrem Opa beobachtet. Der hat Wellensittiche gezüchtet. Da hat sie immer genau zugeguckt, wie das geht. Später hat sie selber sich an Brieftauben versucht und damit sogar Preise gewonnen. Warum nicht zu Abwechslung mal ein Rennpferd? Sie findet einen Mitstreiter, ein Pferdenarr, der zum Ärger seiner Frau um eines Pferdes willen schon einmal Pleite gegangen ist und versprochen hat, die Hände von Pferden zu lassen. Jan ist klar, dass Pferdezucht Geld kostet. Sie wirbt also für ihre Idee und rechnet sich aus, wenn dreißig Leute zehn Pfund pro Woche zahlen, sollte es reichen. Sie ist für verrückt erklärt worden.
Das Ganze hat sich Ende der 90er Jahre in einem Bergarbeiterdorf abgespielt. Südwales. Dort ist 1992 die letzte Grube geschlossen worden, obwohl noch Kohle da unten ist. Aber in Südafrika wird sie billiger gefördert. Ein Mann sagt: „Wir haben unser Leben lang hart gearbeitet. Aber wir haben auch immer eng zusammengestanden.“ Jan selber hat zwei Jobs. Tagsüber arbeitet sie im ASDA, einem Discounter-Supermarkt. Abends steht sie hinterm Tresen im Arbeiterclub.
Schließlich gab es doch Leute, die es wissen wollten. Ob es vielleicht doch geht. Ob man Träume haben kann, die wahr werden. Ob das Leben noch mehr ist, als Schuften und sich Sorgen. Nun musste zuerst eine Stute her. Am besten eine, die schon einmal annähernd Rennen gewonnen hat. So eine Stute wäre aber zu teuer. Schließlich findet man eine, die nur £1.000 kosten soll. Jans Mann erzählt genüsslich, wie er den Besitzer, weil das Pferd Narben an den Beinen hatte, auf £300 runter gehandelt hat. Gehalten wird das Tier auf dem „Allotment“ von Jan und ihrem Mann. Das ist das Äquivalent von unseren Schrebergärten. In Großbritannien sind die aber nicht so hübsch und gemütlich wie bei uns. Keine Gartenzwerg-Idylle. Sondern ein Geräteschuppen und ein Stück Nutzfläche drum herum. Dort haben sie einen Bretterverschlag für das Pferd gebaut.
Als nächstes braucht man einen Hengst. Der wird nur gemietet; er wird ja nur kurz benötigt. Das kann fünfstellig kosten. Sie finden einen passablen, der für £1.200 zu haben ist – und handeln den Preis auf £1.000 runter.
Ein Fohlen wird geboren. Sie stimmen über einen Namen ab. Sie entscheiden sich für „Dream Alliance“, Traum-Allianz. „Schließlich haben wir für unseren Traum eine Allianz gebildet.“ Jan hat sich gedacht: Die Eltern des Fohlen waren preiswert. Also muss jetzt ein erstklassiger Trainer her, um aus dem mittelmäßigen Pferd ein gutes Rennpferd zu machen. Und sie schicken den kleinen Hengst ins beste Gestüt. £16.000 kostet das. Jährlich. Der Trainer erzählt, wie Dream Alliance im Gestüt ankam. „Wie ein Arbeiterkind, das mit einem Stipendium plötzlich nach Eton kommt und überhaupt nicht reinpasst.“ Das Pferd hätte „Streetfighter“-Qualitäten. Also eine Art Straßengang-Mentalität. Er hat Dream Alliance nicht viel zugetraut. Aber die Rechnung war bezahlt, also durfte das Proletarierpferd mit all seinen edlen Kollegen zusammen trainieren.
Nach einem Jahr wird es zum ersten Mal in ein Rennen geschickt. Um zu sehen, wie es sich macht. Und Dream Alliance wird auf Anhieb vierter. Vollkommen überraschend. Schließlich geht es von Rennen zu Rennen. Dream Alliance übertrifft alle Erwartungen. Man hatte gehofft, dass er sich bei ein paar regionalen Rennen wacker schlägt. Jetzt läuft er nationale Rennen, auch in Ascot.
Eine schöne Szene, wie seine Besitzer zum ersten Mal zu so einem Rennen gehen. Weil sie keine Lust hatten, sich ein Sandwich für „fünf Quid“ zu kaufen, haben sie in einer TESCO-Tüte ihr Proviant inklusive ein paar Bierdosen dabei. Damit will man sie aber nicht reinlassen. Da fällt ihnen das schlagende Argument ein: „Aber wir müssen hier rein. Wir sind Pferdebesitzer.“ Das hat gewirkt und ihnen eine ganz neue Würde verliehen: „Wir sind Pferdebesitzer. Die müssen uns reinlassen.“
Bei einem großen Rennen schließlich hat Dream Alliance einen schweren Unfall. So schwer, dass man ihn normalerweise getötet hätte, um ihm Leid zu ersparen. Eine Tierklinik hat gesagt, es gäbe eine Behandlungsmethode. Damit hätte er Chancen wieder gesund zu werden. Er würde wahrscheinlich nie wieder an Rennen teilnehmen können. Aber er hätte Lebensqualität. Kosten würde das £20.000. Man hält Rat. Eine Frau drückt es so aus: „Dream Alliance hat so viel Preisgeld gewonnen. Das gehört doch nicht uns, das gehört doch ihm.“ Und außerdem hat er den Menschen so viel gegeben.
Also wird das Pferd behandelt. Es geht gut. Er kann wieder laufen. Er kann wieder rennen. Er kann wieder einen Jockey tragen… Man startet den Versuch, ob er vielleicht auch wieder starten kann. Kann er. Und wird zweiter. Und dann kommt der größte Triumpf. Das Pferd, das beinahe erschossen worden wäre, siegt bei den walisischen Meisterschaften. Davon können alle Beteiligten, auch der Trainer, nur noch unter Tränen erzählen.
Danach versucht man es noch mit den britischen Meisterschaften. Aber seine Zeit ist vorbei. Heute lebt der Hengst wieder in Jans Allotment und auf den schönen Wiesen von Wales. Jan hat erzählt: „Ich hab, als er noch ganz klein war, mit ihm einen Pakt geschlossen. Ich hab gesagt: Du gibst uns, was du geben kannst. Aber wenn du nicht mehr kannst, oder nicht mehr willst – dann darfst du wieder heim kommen.“
Unglaubliche Geschichte. Und berührend – in walisischem Dialekt – erzählt. (Wenn ich gestern den Evesham-Dialekt mit norddeutsch verglichen habe – dann ist walisisch am ehesten vogtländisch.) Jans Mann hat das letzte Wort. Dem fehlen die vorderen Schneidezähne, was bei Erzählen schon komisch aussieht. Zum Schluss sagt er: „Also zur Klarstellung für die Kamera: Ich hab Zähne. Die stehen aber da drüben im Wasserglas.“
Ach – und heute sind die Linden auf dem Kirchhof in Evesham verschandelt worden. Angeblich, um die Gefahr herabfallender Äste zu beseitigen. Jetzt könnten sie wieder neu austreiben. Ich hab nachgelesen: Die Kappung von Bäumen als „Baumpflegemaßnahme“ ist in Deutschland nicht erlaubt und kann zivilrechtliche Konsequenzen haben. Unter anderem, weil sich die Gefahr herabfallender Äste dadurch erhöht. Denn das Gleichgewicht des Baumes ist massiv gestört. Er fängt im Kampf um sein Überleben an, zu viele Äste mit zu vielen Blättern zu treiben, die ihn instabil machen. Keine Ahnung, warum man das in Großbritannien offenbar so anders sieht. Mit diesen Linden ist das auch nicht zum ersten Mal gemacht worden. Das heißt, die haben schon lange nicht mehr ihren natürlich Wuchs. Natürlich ist jetzt der Blick auf die Kirchen frei - vgl. das Foto am 24. Januar. |