Der Bauer hat unverhofft eine große Rübe bekommen. Ihm fällt nichts Besseres ein, als sie weiter zu schenken. Etwas Besseres gibt es auch nicht. Und der König folgt seinem Beispiel. Nur dass der reiche Bruder nicht versteht.
Schenken und beschenkt werden ist nicht in unserer Kultur verankert. Ich denke an meine Oma Clara. Die hat gerne geschenkt. Aber jedes Mal, wenn sie zu Besuch kam, kontrollierte sie eifersüchtig, ob wir alle ihre Geschenke noch haben. Aber sie war vielleicht auch ein Sonderfall. Ich denke an die Dorfkultur. Wenn in einem Haus Taufe, Konfirmation, Hochzeit, Beerdigung ist, schicken die Leute Karten mit Geld drin. Je nach Verwandtschafts- und Bekanntschaftsgrad sind das entweder ein roter oder ein blauer Schein. Die beschenkte Familie führt genau Buch, wer Karten geschickt hat und was drin war. Und wenn in einem anderen Haus Taufe, Konfirmation, Hochzeit, Beerdigung ist, wird genau derselbe Betrag zurück geschenkt. Wer einen roten Schein gegeben hat, bekommt bei nächster Gelegenheit 10€. Wer einen blauen gegeben hat, kriegt 20€.
Als ich in der Uni war, hatten wir eine Gastvorlesung von einem Mann, der sah aus wie Otto Waalkes, erinnere ich mich. Er arbeitete für die Leipziger Mission in Papua Neuguinea. Dort gebe es, erzählte er, in einem eingeborenen Volk eine Tradition. Reich ist dort, wer viele Schweine hat. Und alle sieben Jahre veranstalten sie ein Pig-Festival, ein Schweinefest. Sie essen alle ihre Schweine auf (bis auf die, die sie zur Zucht brauchen natürlich). Die fressen bis zum Umfallen, tagelang. Das verhindert, dass Einzelne zu reich werden. Alle sieben Jahre fangen alle auf ähnlichem Level wieder von vorne an, Schweine zu züchten.
Leider kann man Geld nicht aufessen. Gary hatte heute einen Gast, Mike. Der ist auch methodistischer Pfarrer und hat sich viel mit dem Thema Geld, Schulden und Wucher beschäftigt. 1970 noch wären 90% des Welthandels Warenaustausch gewesen. Nur 10% war Handel mit Geld. 1990, 20 Jahre später, habe sich das Verhältnis genau umgekehrt. Geld heckt Geld, statt Mittel zum Zweck zu sein. Das Geld selber wird zur Ware. Ich hab an den Film „Pretty Woman“ gedacht (der 1990 herausgekommen ist). Da ist der Richard-Gere-Typ so reich, weil er Firmen kaputt macht und die Anteile häppchenweise verkauft. (Und das ist noch eine harmlose Variante dessen, was uns in diesem Jahrhundert in die Krise getrieben hat.) Am Ende verhandelt er mit dem alten Firmeninhaber, dessen Firma er als nächstes schlucken will. Und am Ende kommen die beiden strahlend wie kleine Jungs aus dem Verhandlungsraum und verkünden: „Wir nehmen unser Geld und machen was damit: Wir bauen Schiffe! Große Schiffe!“
Diebe müssen Verdiener werden. Aber das sei nicht das Ende, sagt Gary. Die Verdiener müssen Geber werden. Das verstehen auch Kinder. So schön es ist, sich ein geschenktes Kinderbild an den Kühlschrank zu pinnen: Wenn ich dem Kind erkläre, dass ich so viel Freude an dem Bild habe, dass ich es gerne weiterverschenken möchte, damit sich noch mehr Leute dran freuen… Kinder würden das nicht nur verstehen, sie würden auch noch was Interessantes dabei lernen.