Heute ist alles irgendwie ins Stocken gekommen. Ich hatte das Gefühl, als sitze ich in den Startblöcken – und kein Schuss fällt. Что делать?
Heute Vormittag hat mich Michael, der nette und kompetente Bibliothekar, in die Bibliothek eingeführt. Dieselbe ist freundlicherweise in dem Haus, in dem ich auch wohne und 24/7 offen. (Sprich: "twenty four seven" - ein anglo-amerikanischer Ausdruck für „24 Stunden 7 Tage die Woche“ – wir würden einfach sagen: rund um die Uhr.) Ich könnte mich also nachts um zwei im Bademantel runterschleichen und was nachgucken oder auch ein Buch ausleihen. Denn die Ausleihe funktioniert mit Kartenzugang, Passwort und einem Barcode-Scanner wie an der Supermarktkasse - alles per Selbstbedienung. Welche Bücher da sind und wo sie stehen, kann ich oben in meinem Zimmer am eigenen Laptop nachschauen.
Tja, jetzt steht mir eine ganze Bibliothek zur Verfügung, und nun? Um an den Seminaren teilzunehmen, muss Sam mich registrieren – und ich wusste nicht, ob er das getan hat. Halb fünf schließlich hatte er Zeit auf einen Tee. Und da haben wir alles klar gemacht.
Fünf Seminare/Vorlesungen werde ich besuchen; im Februar kommt noch ein sechstes dazu:
- Montagvormittag „God through human eyes“ (Gott durch menschliche Augen gesehen) – eine Reise durch die Theologiegeschichte.
- Mittwochvormittag „Knowing and Unknowing“ (Kennend und nicht kennend – oder so ähnlich) – da geht es um mystische Theologie.
- Mittwochabend: Psalmen
- Donnerstagvormittag: „Gendered approach“ (Geschlechterbezogene Annäherung) – da geht es um den neuesten Stand der feministischen Theologie und die Frage, was es ausmacht, ob man als Mann oder als Frau Theologie betreibt.
- Donnerstagnachmittag: Paulus (der hier einfach Paul heißt, so wie Petrus einfach Peter ist)
Na also, das sieht doch nach einem Plan aus.
Als das geklärt war, bin ich erst mal einkaufen gefahren, denn das Frühstück hier ist nicht das, was eine Deutsche Frühstück nennen würde. Müsli, Toast (oder besser „warmes Brot“, weil der Toaster schlecht funktioniert) und Marmelade. Ich also in einem labyrinthischen Riesensupermarkt Brot gekauft, Butter, Marmelade. Und ich hab ja noch Dothener Wurst, die mir die Tünschützer zu Weihnachten geschenkt haben. Wenn jemand einen Tünschützer trifft: Herzliche Grüße!! Und meine Kaffee-Utensilien habe ich ja in weiser Voraussicht schon von zu Hause mitgebracht. Hier auf der Etage gibt es eine Gemeinschaftsküche – das heißt, ich muss dann morgen auch nicht quer über den Campus zum Frühstück. Na also.
Ach ja, eines habe ich noch vollbracht: Sam hatte mich gebeten, einen kurzen Lebenslauf zu schreiben den er im Intranet (ach ja, mooble – immer noch keine Ahnung!) verbreiten will. Und deutsch wie ich bin, hab ich das auch gleich gemacht. Ich häng euch mal die Übersetzung dran.
Ich bin am 29. September 1990 in den kirchlichen Dienst als Pastorin gegangen, vier Tage vor der deutschen Wiedervereinigung. Das hieß, ich habe in einer Kirche angefangen zu arbeiten, für die ich nicht Theologie studiert habe. Dies hier war eine viel mehr etablierte Kirche. Allerdings gibt es in meiner Beobachtung immer noch einen großen Unterschied zwischen den Kirchen in Ost und West. Es ist immer noch spürbar, dass unsere Wurzeln in einer Kirche liegen, die nicht von den Mächtigen hofiert wurde.
Zuerst habe ich in Jena, meiner Heimatstadt, gearbeitet, dann für zwei Jahr in einigen Dörfern der Umgebung. Jetzt bin ich in Eisenberg, einer Stadt von 11.000 Einwohner. 1.200 davon sind lutherisch, vielleicht etwa 300 katholisch. Es gibt auch Freikirchler, aber deren Gemeinden treffen sich nicht in Eisenberg; die Mitglieder fahren in die nahe gelegenen größeren Städte. Ich bin nun das 15. Jahr in Eisenberg. Zeit, sich eine Auszeit zu nehmen.
Ich habe beschlossen, das Sabbatical in England zu verbringen, einfach weil ich das Land liebe. Ich bin viel durch Großbritannien und Irland gereist, seit man es mir erlaubt. Ich liebe die Landschaft, ich liebe die Sprache, ich liebe Shakespeare, Harry Potter und Doctor Who… Wann immer ich in anglikanischen Gottesdiensten war, habe ich mich willkommen gefühlt. Als ich jung war, durfte ich das Land nicht verlassen (jedenfalls nicht in Richtung Westen). Also ist das hier auch ein bisschen Nachholen für mich. Ich gedenke jeden einzelnen Tag zu genießen.
Ich habe eine Tochter, Anne. Sie ist 34 Jahre alt und mit einem sehr netten Mann verheiratet, Christian (der auch gleichzeitig ein wunderbarer IT-Spezialist ist, wenn ich mal Probleme mit meinem Computer habe). Ich bin nicht verheiratet. Ich habe Anne alleine großgezogen und liebe sie mehr, als gesund ist.