Der Film beginnt, wie jeder Hamlet, mit den groben Worten: „Wer da?“ Wachablösung auf der Schloss-Terrasse. Die Wachsoldaten nicht mit Lanze und Hellebarde, sondern in den Warnwesten, deren Farben die Briten anscheinend so lieben. (Dabei spielt Hamlet doch in Dänemark! Hamlet wird im Laufe des Stückes von seinem Onkel, dem König, nach England geschickt. Das veranlasst später den Totengräber zu sagen: „Er wurde nach England geschickt, weil er verrückt geworden ist. Damit er wieder zu Verstand kommt. Und wenn nicht, dann spielt das dort auch keine Rolle. Dort sind die Leute genauso verrückt wie er, da fällt er nicht auf.“ – Was in englischen Theatern natürlich Lacher hervorruft; so auch heute Abend – und wahrscheinlich schon zu Shakespeares Zeiten.)
Es ist eine feministische Inszenierung. Was immer das heißt. Maxine Peake spielt immer noch den Prinzen (keine Prinzessin „Hamletine“), sie verleiht ihm halt nur etwas Androgynes. Zum einen eine Stimme wie Reibeisen. Und dann sieht sie machnmal aus wie Thomas Sangster (googelt, dann wißt ihr, wen ich meine). Der Guardian bezeichnet ihren Hamlet auch als „stripling“ (Grünschnabel, Bürschchen). Sehr treffend. Ihr Hamlet ist noch feucht hinter den Ohren und meistens wütend wie ein bockiges Kind.
Bei sechs anderen Rollen sind aus Männern einfach Frauen gemacht worden. Die schönste: Die beiden Totengräberinnen – ich musste an das deutsche Duo „Missfits“ denken – zum Schieflachen. Die auffälligste: Eigentlich haben Ophelia und Laertes einen Vater, Polonius (der dann von Hamlet aus Versehen ermordet wird). Hier haben sie eine Mutter, Polonia. Eine Business-Frau im Kostüm, müde und verbraucht vom Leben, aber man darf sich ja nicht aufgeben und vor allem nie die Kontrolle verlieren. Die hat mir gut gefallen. Relativ am Anfang hat Shakespeare eine Szene geschrieben, da warnt Polonius seine Tochter Ophelia vor Hamlet. Sie solle vorsichtig sein, den Liebessprüchen junger Männer dürfe man nicht trauen. „Glaube seinen Schwüren nicht, sie wollen dich nur umgarnen.” Und als Begründung führt er an, er sei schließlich selber mal jung gewesen, er wisse, wie Männer das machen. Das klingt natürlich ganz anders, wenn das eine gealterte Mutter sagt: „Ich weiß, wie die Männer das anstellen, glaube ihnen nicht…“
Und dann kam der Moment in der Inszenierung, wo es hätte heißen müssen: „To be or not to be that is the question“. Und kam nicht. Nanu? (In der Rezension im Guardian heiß es: Der Monolog kam so spät, dass man schon gedacht hat, sie hätten ihn irgendwo verlegt wie eine Brille oder einen Autoschlüssel.) Fast gegen Ende des Stückes, nachdem Hamlet aus Versehen Polonia ermordet hat, da kommt‘s dann und man denkt: Na endlich. Ich glaube, wer immer Hamlet inszeniert, hat eine Heidenangst vor diesem Monolog. Der ist so bekannt, der ist zum Klischee geworden. Das ist wie „Vom Eise befreit sind Strom und Bäche…“ Da kann man auf die Idee kommen, nach einer anderen Stelle im Stück zu suchen, wo Hamlet das Gleiche sagen könnte. Um sich vom Klischee zu befreien. Aber hier hat es nicht hingepasst, fand ich. Feiglinge. Ganz weglassen wäre besser gewesen, wenn schon.
Ach was, es war schönes Theater mit tollen Schauspielern. Und Maxine Peake als Hamlet ist gut, aber irgendwie mochte ich sie nicht – und bin daher auch mit ihrem Hamlet nicht warm geworden.