Da unterm Dach hat Anne mal gewohnt. | Nach London mit dem Auto hineinfahren ist ein unsinniges Unterfangen. City-Maut. Parkplatz. Verkehr. Von Evesham aus mit der Bahn hätte uns aber schlappe £120 Fahrkarten gekostet. Also sind wir in einen Außenbezirk gefahren. Und zwar in den, wo wir, Anne und ich, uns auskennen. Ealing, Creffield Road. Da hat Anne mal gewohnt. Hier in diesem Haus unterm Dach hatte sie ihr Zimmer als sie zwischen 2001 und 2006 in Großbritannien gelebt hat. Von wann bis wann genau sie hier gewohnt hat, weiß Anne. Sie ist oft umgezogen und ich habe bei den vielen Wohnungen den Überblick verloren. Aber ich kenne das Haus auch gut. Ich hab sie dort mehr als einmal besucht. Dieser Straße haben wir also Annes Auto anvertraut und sind mit der U-Bahn rein ins Treiben. |
Ich hab gemerkt, London besucht man am besten doch im Januar oder Februar. Da hat man die großen Sehenswürdigkeiten, na nicht ganz für sich, aber doch in ziemlich entspannter Atmosphäre. Das Geschiebe und Gedrängel! Aber mit Mama/Oma mussten wir schon an die wiedererkennbaren Orte. Sonst hätte sie doch gar nicht geglaubt, dass sie wirklich in London war. Also (Dokumentation – wenn auch nicht ganz lückenlos – in der Galerie): Picadilly Circus mit der Amor-Putte und der Werbewand. Die Kirche St Martin in the Field auf dem Trafalgar Square. Die Löwen an Nelson’s Column auf demselben Platz. Spaziergang runter an den Fluss – Whitehall entlang, vorbei an den Pferdewachen und 10 Downing Street. | Vor 17 1/2 Jahren waren wir da drin. Phantom der Oper in Her Majesty's Theater, Haymarket. Das war ein Geburtsgageschenk zu Annes 17. Gaburtstag. |
Mama hat die Architektur von Westminster Underground Station beeindruckt | Die Fassade von Westminster Abbey. Die ist geschmückt mit den üblichen Heiligenstatuen. Nur dass es „Heilige des 20. Jahrhunderts“ sind. Darunter Dietrich Bonhoeffer, Bischof Oscar Romero und Martin Luther King Jr. Vorbei an der Warteschlange für die Abtei (den Preis haben sie, seit ich am 9. Januar dort war, um £2 erhöht auf £20!) zum Parlament. Big Ben. Blick über den Fluss zu London Eye, dem Riesen-Riesenrad. |
Dann mit der U-Bahn nach St Pauls. Die Kathedrale. Die Themse unter der Millennium Brücke. Die Brücke war so voll gestopft mit Menschen, die haben wir uns nur von Ferne angeguckt. Dann haben wir uns getrennt. Anne ist losgezogen um zwei Freunde aus ihren Londoner Zeiten zu treffen, die sie beide seit elf Jahren nicht gesehen hat. |
Danach sind wir wieder in den Untergrund abgetaucht. Mama hat gestanden, dass es ihr da unten nicht so ganz geheuer ist. Und ob das der Erde wehtun würde, wenn die Menschen so viel in ihr rum buddeln und bauen. Nicht die schlechteste Frage. Wobei U-Bahn-Tiefen nur Kratzer an der Erde sind. Ich glaube, es tut ihr, der Erde, erst in anderen Dimensionen weh, so ab 10 Kilometer. Doctor Who hat der Frage eine ganze Folge gewidmet.
Aber ich schweife ab. Unser Ziel: Das Händel-Haus. 25 Brook Street. Vorher hatten wir noch ein dringendes Bedürfnis – Tee und Bier wollten unseren Körper gerne wieder verlassen. Das Museum hatte keine Toilette, verwies uns aber an das nahe gelegene Kaufhaus. Das war piekfein. Und hatte kein Klo. Auch keine Toilette. Nicht mal Lavatories oder Bathrooms, wie Toiletten vornehm heißen können. Es gab „Powder Rooms“. Räume wo sich die Damen die Nase pudern können. Das war die Umschreibung für die Räumlichkeiten, die wir so dringend benötigten.
Im Händelhaus hatten wir ein bisschen Pech. Gerade letzte Woche haben Bauarbeiten begonnen. Und der Museumsbetrieb war nicht so, wie ich ihn in Erinnerung hatte, sondern etwas provisorisch. Aber dennoch schön zu sehen. Und sich vorzustellen: Hier, exakt und genau hier hat er ihn geschrieben, den „Messias“…
Schließlich haben wir noch einen Spaziergang zum BBC-Hauptgebäude gemacht. Der führte über Cavendish Square Gardens. Das ist ein kleiner Park inmitten der Stadt, wie es so viele gibt. Wir mussten nicht eilen. Der zu 90% angekündigte Regen war immer noch nicht da, im Gegenteil, die Sonne kam raus. Ich frag: „Wollen wir uns ein bisschen hinsetzen?“ „Ach, nee. Ich kann noch. Da wird man nur müde von.“ „Bist du sicher?“ „Ja ja. Oder vielleicht…“ Wir haben uns ein bisschen auf die Parkbank gesetzt. Ein Glück. Sonst hätten wir was verpasst.
In der Mitte des Platzes steht ein Denkmal. Ein Reiter. Und als wir saßen, sahen wir, der sieht aber komisch aus. So aufgeplatzt. Arme fehlten ihm schon und ein Bein. Stattdessen ragten aus Schulter und Knie Stahlgestelle heraus. Dann hab ich neben dem Denkmal eine Tafel gesehen und es hat sich aufgeklärt. Das war Kunst eines koreanischen Künstlers. Das Denkmal war nämlich aus – Seife! Dazu gemacht, mit den Jahren dahin zu schmelzen und kaputt zu gehen und bei Regen (wir hatten aber halt die 10% Regenunwahrscheinlichkeit erwischt) einen Duft über dem Platz zu verbreiten. |
Dann aber sind wir zum BBC Gebäude. Dort fand eine Demonstration statt. Menschen aus Burundi demonstrierten… Ich weiß nicht, wofür genau. Im Land gibt es Auseinandersetzungen, soviel habe ich nachgelesen. Und man beschuldigte die BBC, einseitig oder ungenau zu berichten. Die Demo aber hatte zur Folge, dass die Security verschärft war. Also konnten wir nicht ins Gebäude rein. Dabei hätte ich Mama doch so gerne noch den Dalek gezeigt, der dort rumsteht (ein Monster aus Doctor Who). Den hat sie also nicht gesehen. Und so viele andere Dinge nicht, die es noch in London gibt. Keine Tate Galerie. Die Modern Tate Galerie nur von außen. Old Bailey, der Gerichtshof, nur von Ferne. Tower Bridge nur von Ferne. Kein Tower. Keine Kronjuwelen. Kein Foundling Hospital. Kein Greenwich. Kein Canary Wharf. Kein Kein Kein Kein Kein Kein...