Aber der Reihe nach. Heute früh ganz normal Gottesdienst. Andrew hat was verwechselt und kam mit einer vollständig ausgearbeiteten Predigt in die Kirche. Aber er war gar nicht dran mit Predigen. Sondern Sarah, die Missionarin. Also mir wäre Andrew lieber gewesen. In der Anglikanischen Predigt-Ordnung war heute der Gute Hirte dran. Ihr Hauptgedanke war: Warum hält sich ein Hirte eigentlich Schafe? Zwei Gründe: Wolle und Fleisch. Und das hat sie dann auf uns angewendet. Wir müssen zusehen, dass wir nützlich für Gott sind, wie Schafe für den Schäfer. Sie hat versucht noch eine kleine Kurve zu kriegen und gesagt, dass Gott "natürlich" auch die liebt, die nicht so produktiv sind. Aber sie kam immer wieder darauf zurück: Wolle und Fleisch. Wolle und Fleisch. Wir sind Gott so wichtig, weil wir nützlich sind. Wolle und Fleisch. Ich reagiere auf so etwas körperlich. Mit ist eng geworden. Ich krieg da einfach keine Luft.
Die Kinder der Kindergottesdienstes, die am Ende immer vorstellen, was sie gemacht haben. Heute war es besonders schön. Ein Vater war lange verreist gewesen und ist direkt in den Gottesdienst gekommen, um seine Kinder abzuholen. Und die Kleinste entdeckt ihn und ruft durch die ganze Kirche: "Daddy!" Ganz in der Mitte an der Strufe stürmt sie auf ihren Papa zu. | Zum Glück kam hinterher gleich Lee mit dem Fürbittengebet. Lee ist sehr eigen im Denken und sozial ein wenig ungeschickt. Aber er hat sein Herz auf genau dem rechten Fleck und ist ein grundaufrichtiger Mensch. Er dankte für den erblühenden Frühling und bat darum, dass Gott auch uns erblühen lassen möge. Hinterher hat er mir erzählt, dass er das nicht aufgeschrieben hätte. Überhaupt sei er die ganze Nacht mit den Street Pastors unterwegs gewesen und vollkommen übermüdet. Aber es war vielleicht gerade deshalb so schön frisch. Und bei Lee kommt noch dazu, dass er diesen wunderbaren Dialekt spricht. Der Evesham Dialekt ähnelt in Klang und Tonfall ein bisschen unseren Küstendialekten. |
Dann musste der arme Andrew noch auf dem Marktplatz beim Aufmarsch der Pfadfinder dabei sein (er war fürs Gebet zuständig). Anlass war St Georgs-Tag. Der ist eigentlich am 23. April, wird aber praktischerweise am Wochenende begangen. Der Heilige Georg, der Drachentöter, ist der Schutzheilige Englands; sein Zeichen, rotes Kreuz auf weißem Grund, die Flagge Englands. Also das Treffen lief so ab: Zuerst machten die einzelnen Abteilungen der Pfadfinder Spiele in der Art Feuer – Wasser – Sturm. | Feuer-Wasser-Sturm; hier mußten sie auf Zuruf in die verschiedenen Himmelsrichtungen laufen: Ost-West-Nord-Süd... |
Dann gab es Urkunden für die erwachsenen, ehrenamtlichen Leiter. Dann ein Gelöbnis (mit erhobenen Schwurhand), immer anständig, fromm, brav und tapfer zu sein und der Königin keine Schande zu machen (an der Stelle wisperte Andrew mir zu: „Empire-Theologie“). Ein Gebet. Die Hymne (God save the Queen) mit Trommelwirbel. Und dann hat der Bürgermeister die „Parade abgenommen“. |
Es war eine seltsame Veranstaltung. Es schien noch der militärische Ursprung durch. Schließlich war der Begründer Generalleutnant (siehe 13. April). Aber er hätte sich unter „Abnehmen der Parade“ etwas anderes vorgestellt, als dann in Evesham heute passiert ist. Bei Herrn Baden-Powell hätten alle stramm stehen müssen und jedes Halstuch wäre überprüft worden, ob es richtig gebunden ist und jeder Schuh ob er auch blank geputzt ist. Und wehe nicht! Die Jungs hätten gebibbert, dass er etwas an ihnen auszusetzen hat. |
An einer Stelle war ich erst erschrocken und dann musste ich grinsen. Eine der erwachsenen Leiterinnen hat offenbar doch einen Faible für’s Militärische und nahm ihre Urkunde mit „Pfadfindergruß“ entgegen – der sah genauso aus, wie der Pioniergruß. Daher haben sie das also gehabt, natürlich, was sonst… Auch die Halstücher und alles… Andrew, der Schalk, lässt sie stramm stehen für's Foto. |
Und am Ende sind wir zur Abschlussrunde zusammen gekommen. An einer Station konnten die Teilnehmer eine Liste schreiben für Dinge, für die sie dankbar sind. Und die haben wir dann reihum vorgelesen – immer jeder eine Sache, viermal die Runde rum. Das war manchmal richtig lustig. Neben dem Offensichtlichen wie die Kinder, die Enkel, Familie und Freunde kam auch: „Meine neue Hüfte“. „In Zeiten der Wahlen, dass ich in einem demokratischen Land lebe.“ Ich hab – natürlich – gesagt: „Dass ich hier sein kann.“ Und eine hat gesagt: „Mousse au chocolat“. | Lindsay hatte ihre große Perlenkiste dabei. Für jede Sache auf der "Dankbarkeitsliste" konnte man eine Perle in eine Glasvase tun. Die kam dann zum Schluss auf des Altar. |