Mit Liturgie ist es hier irgendwie ein bisschen anders als bei uns. Wir haben eine Agende (die neuerdings Gottesdienst-Buch heißt, versteht man ja auch besser). Und da steht die übliche Liturgie drin. Und hinten stehen alternative Texte für Gebete drin, die man sich nach Baukastensystem zusammen basteln kann. Und schließlich gibt es einen großen Teil, wo drin steht, dass man alles auch ganz anders machen kann – und ein paar Vorschläge dazu. Und dann kann man es auch noch ganz anders machen. So ungefähr. In der anglikanischen Kirche gibt es das „Common Book of Prayer“. Da steht drin, wie man zu den verschiedenen Sonntagen und Festen betet. Das Buch ist natürlich immer mal wieder revidiert, das heißt modernisiert worden. Und natürlich gibt es auch hier Literatur mit Alternativen – herausgegeben von der Kirche. Dennoch fiel mir auf, dass die Gruppe sich bei Änderungsvorschlägen auf von der Kirche „genehmigte“ Texte beschränken wollte (um es Konservativeren in der Gemeinde leichter zu machen einzustimmen – oder schwerer, dran rumzumeckern, je nachdem). Ich kann die Lalala-Beliebigkeit, die bei uns manchmal herrscht, nicht leiden. Aber auf die Idee, mir von meiner Kirche einen Gebetstext genehmigen zu lassen, darauf würde ich nicht kommen. Hintergrund dieser Praxis ist es natürlich nicht, Gebetszensur zu betreiben. Hinter dem Common Book of Prayer steht der Wunsch nach Einheit im Gebet. Was bei der Einführung zu Tudor-Zeiten übrigens nicht erfolgreich war. Einige Starrköpfe wollten doch weiter nach katholischem Ritus beten und haben es offen und/oder heimlich auch getan.
Wir hatten nicht genug Zeit, das Thema zu Ende zu bringen. Eilt auch nicht, aber angestoßen ist es. Die Frauen haben übrigens auch nach einer Möglichkeit gesucht, wie man den Übergang von Gottesdienst zu Kindergottesdienst gestalten kann. Na, da haben wir in Eisenberg ja schon lange eine Praxis. Ich erzähle, wie wir eine Kerze haben, die die Kinder aus der Kirche mit in den Gemeinderaum nehmen, und wie diese Kerze die symbolische Verbindung zwischen dem, was die Großen und die Kleinen tun, herstellt. Das fanden sie aber eine gute Idee!
Anschließend Schule. St Egwin, Schule in anglikanischer Trägerschaft. Mittelschule, also 5. bis 9. Klasse. Die Direktorin, Carol, eine kleine Frau, die weiß was sie tut. Sie gibt mir eine Führung durch die Schule. In die Chemie-Klasse hinein fragt sie: „Was macht ihr gerade?“ Ein Junge gibt Auskunft (irgendwas über Aggregatzustände, wenn ich recht verstanden habe). Carol lobt den Jungen und sagt: „Das ist auf jeden Fall einen Hauspunkt wert.“ Ich komm mir vor wie in Hogwarts. Aber klar, Frau Rowling beschreibt eine Schule nach britischem Vorbild und da gibt es halt Häuser und Hauspunkte.
Eigentlich war ja geplant, dass ich Andrew in die Schule begleite und bei seinem Ethik-Unterricht dabei bin. Stellt sich heraus, dass noch gar keine Stunden vereinbart sind und dass Andrew vor dem 9. Mai auch gar nicht richtig Zeit hat. Aber ob ich nicht beim Deutsch-Unterricht mitmachen würde? Morgen schon? Und von da an jeden Mittwoch? Okay… Mal sehen, wie sich das anlässt. Es ist kein regulärer Deutsch-Unterricht. An St Egwin wird Französisch als Fremdsprache gelehrt. Aber Mittwochnachmittag gibt es für alle Schüler so eine Art Club-Betrieb. Da dürfen sich die Schüler unter den Angeboten etwas aussuchen, was sie interessiert. Und die Lehrer dürfen etwas anbieten, was sie schon immer mal unterrichten wollten, nur nicht durften, weil es nicht im Lehrplan steht. Und da gibt es eine Lehrerin, Heidi mit Namen, jawohl!, die eigentlich Mathe lehrt und einen Deutschkurs anbietet. Na mal schauen…
Bevor ich mir dann schon mal das Material angeschaut habe, das ich von Heidi bekommen habe, hab ich noch einen Kurzausflug gemacht. Das Wetter ist so was von strahlend schön im Moment. In der Nähe gibt es eine Klosterruine, Hailes Abbey. Gegründet von einem Richard, Herzog von Cornwall. Der war der jüngere Sohn von König Johann, der die Magna Charta anerkannt hat (und damit war Richard Halbbruder von Siwan, fällt mir ein – am 19. Februar habe ich ihre Geschichte im Theater gesehen. Die Welt ist doch klein.) |
Hailes Abbey liegt heutzutage sehr malerisch da, was zum einen an den bewachsenen Ruinen liegt und zum anderen an der Lage. Zisterzienser haben sich gerne in idyllischen Tälern ihre Klöster gebaut. Die Zerstörung fand hier 1538 statt, am Weihnachtsabend. Der Abt hat noch versucht, die Schließung abzuwenden. |
Das ist übriegns ein Kastanienbaum da im Vordergrund. Die kriegen gerade Blätter. Ich denke, nächste Woche blühen sie, die Kastanien. | Das Kloster behauptete nämlich, eine Ampulle echten Blutes Christi zu besitzen – vor der Kreuzigung abgezapft. (Ein schöner Nebenerwerb zur Landwirtschaft, denn das lockte viele Pilger an). Und der Abt hat doch wirklich die Ampulle nach London zur Untersuchung gebracht, um zu beweisen, dass das Blut echt ist – was hat er nur gedacht, soll dabei rauskommen? Die Gutachter jedenfalls haben erklärt, es sei mit Safran gefärbter Honig. (Würde mich ja interessieren, was moderne Forensik draus gemacht hätte.) Sie haben die Ampulle weggeworfen und die Abtei zerstört. |
Nebenan steht die Gemeindekirche. Von außen sieht sie sehr hübsch aus. Als ich rein kam, war ich erschrocken, ich hatte das Gefühl, hier war schon lange keine Gemeinde mehr beten; der Altar leer, eine Plastiktüte drüber gestülpt. Aber nein, auf dem Tisch das aktuelle Gemeindeblatt. Dem zufolge hat in der Osternacht der letzte Gottesdienst hier stattgefunden. Daneben ein Schild, man möge mit einer Spende "this ancient and beloved church“ (diese historische und geliebte Kirche) unterstützen. Na, einen sehr geliebten Eindruck hat der verwahrloste Raum nicht gemacht. | Natürlich ist Hailes nur eines von mehreren kleinen Dörfern für die der Pfarrer zuständig ist. |
Von außen eine niedliche kleine Dorfkirche. | Aber es stand auch im Gemeindeblatt ein kleiner jubelnder Artikel, dass die Diözese Gloucester, in der Hailes liegt, eine Bischöfin bekommen wird: „Ihre Majestät die Königin hat die Ehrenwerte Rachel Treweek, Erzdiakonin von Hackney in der Diözese London, als die nächste Bischöfin von Gloucester berufen.“ (Gloucester spricht man übrigens wie Worcester aus, also Glaster und Wuster.) Rachel Treweek ist die erste Bischöfin, die ein Anrecht auf einen Sitz im Oberhaus hat. Und sie wird tatsächlich an allen wartenden Männern vorbei den nächsten freien Sitz bekommen. Die Verfasser dieses Kirchenblatts fanden das eine gute Nachricht, das ist doch schön. |