Hier aber ist der Pfarrer gleichzeitig der Standesbeamte und hat entsprechende Befugnisse. Das macht das Zeremoniell natürlich komplizierter als unseres und es ist sehr sinnvoll, das zu üben – mit dem Paar und den wichtigsten Mitwirkenden, also dem „best man“, der die Ringe haben muss, dem Brautvater, der seine Tochter dem Pfarrer übergibt, welcher sie an den Bräutigam weiterreicht – und natürlich den Brautjungfern, die sich um die Schleppe der Braut kümmern müssen.
Gestern schon hat mir Andrew gezeigt, wie er im Vorgespräch den Paaren erklärt, was bei einer Hochzeit passiert. Dazu malt er auf ein großes Papier die beiden Bankblöcke der Kirche und fängt an zu erklären. Also rechts sitzt Sippe Schulze und links Sippe Meier. Dann malt er vor die beiden Blöcke zwei Punkte – das sind Bräutigam Schulze und Braut Meier. Damit die beiden eine neue Familie werden können, braucht es einen Dritten (ein weiterer Punkt taucht auf dem Papier auf): „Auftritt Priester-Magier.“ Also Andrew. Der schneidet die beiden von ihren Klans ab, löst sie aus der Familie heraus. Denn beiden Klans werden weiterhin Ansprüche an die beiden anmelden. Vater Meier wird dem Bräutigam drohen: „Wenn du mein Mädel nicht anständig behandelst, schlage ich dich zu Brei.“ Und Mutter Schulze weiß jetzt schon, dass ihre zukünftige Schwiegertochter den Sonntagsbraten nie so kochen wird, wie ihr Junge es liebt. Also – und Andrew malt zwischen die beiden und die Klans zwei dicke Striche – der Priester-Magier löst sie da heraus und verbindet sie zu etwas, das der Beginn einer neuen Sippe werden kann. Und danach werden sie zwar noch Verbindung zu ihren Herkunfts-Klans haben, aber sie sind etwas Eigenes geworden. Und wenn dann Mutter Meier sagt: „Aber Weihnachten kommt ihr doch wie immer zu uns.“ – Dann wird ihre Tochter sagen: „Mama ich liebe dich immer noch, aber das muss ich mit meinem Mann besprechen.“
Am Ende sieht Andrews Zeichnung aus, wie das Diagramm eines Fußballtrainers vor dem Spiel. Na da wird ich morgen ja mal sehen, wie das eigentliche Spiel läuft. Ob‘s wirklich wie im Kino aussieht.
Nachmittags habe ich einen Abstecher ins benachbarte Tewkesbury gemacht. Da gibt es etwas für England ziemlich Seltenes zu sehen: eine romanische Klosterkirche. Die Klöster hier wurden ja fast alle von Heinrich VIII. geschliffen und sind Ruinen (oder zu Herrenhäusern umgebaut). Manchmal durften welche überleben. Zum Beispiel, wenn die Klosterkirche die einzige Kirche des Ortes war. Denn es musste einen Ort für Gottesdienst geben. In Tewkesbury war das der Fall. Dennoch ging es nicht ganz ohne ab. Im Faltblatt der Kirche heißt es: „Geweiht im Jahr 1121 überlebte die Abteikirche die Auflösung der Klöster von 1540 dank der Großzügigkeit der Stadtbevölkerung, die sie von König n Heinrich VIII. für die Summe von £453 gekauft haben (das war der Preis für alles Blei in der Kirche und die Glocken).“ |