Im Eingang von St Egwin Middle School die Vitrine mit den Trophäen, die die Schüler errungen haben. | Also, was ich gestern geschrieben habe, das stimmt so nicht ganz. Heidi unterrichtet nicht Deutsch am Mittwochnachmittag. Das hat sie vor zwei Jahren gemacht. Dieses Jahr macht sie das nicht. Dieses Jahr unterrichte ICH Deutsch am Mittwochnachmittag. Jedenfalls sechs Mal bis Pfingsten. Die Direktorin hat das irgendwie gesagt gestern, aber unklar. Und ich hab nicht genau nachgefragt, hab nur gedacht, mal sehen, was passiert. Ich also hin in die Schule. Tohuwabohu. Keiner beachtet mich. Ich halte den ersten Lehrer an, der mir begegnet (dem Aussehen nach der Sportlehrter, mit Trainingshose und Trillerpfeife), sag, wer ich bin und warum ich hier bin und dass ich keine Ahnung habe, wo ich hin soll. Er führt mich ins Sekretariat. Die haben auch „no idea“. Und die Direktorin in einer Sitzung. Schließlich treibt der Sportlehrer den stellvertretenden Direktor auf. Der weiß Bescheid. Fragt, ob ich Tee will. Das ist ja bekanntlich die englische Lösung für alles. Erst mal einen Tee trinken. Ich sag also ja. |
Dann klingelt es. Die junge Hilfslehrkraft (ich muss sie wirklich noch mal nach dem Namen fragen) führt mich durch ein Labyrinth von Gängen zu Raum neun. Kaum bin ich drin, kommen die Schüler. In Schuluniform natürlich. Siebtklässler. Ein Mädchen in so einem Miniminiminimini-Minirock. Ein kleiner Oberschlauer. Ein schon ziemlich in Höhe geschossener Schlacks. Ein Junge mit deutlich osteuropäischem Hintergrund – er rollt das r. Vier Mädchen, drei Jungs – dass die Gruppe so klein ist, hat die Direktorin gestern gesagt. Also. Los geht’s. Um’s kurz zu machen: Es hat Fez gemacht. Ich mag dieses Alter einfach. Dieses Nicht-Fisch-noch-Fleisch-Alter. Diese Mischung aus Neugier und Unsicherheit in ihren Augen. Da ich kein Elternteil bin, brauchen sie mit mir keine Kämpfe auszutragen. Sie reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Natürlich kann ich ihnen in sechs Wochen kein Deutsch beibringen. Aber eine Vorstellung davon. Und außerdem ein bisschen Landeskunde. Wir haben immer abwechselnd ein bisschen deutsch gesprochen und uns über Deutschland unterhalten. Ich hab sie dazu gebracht, auf Deutsch zu sagen, wie sie heißen, wie alt sie sind, was sie gerne tun und wie viele Geschwister sie haben: „Ich bin David. Ich bin dreizehn Jahre alt. Ich mag lesen. Ich habe sechs Schwestern.“ (David ist der kleine Schlaumeier und hat tatsächlich sechs Schwestern.) Alle waren zwölf oder dreizehn – beides keine leichten Worte zum Aussprechen. Engländern will nicht in den Sinn, wie ein deutsches z ausgesprochen wird, sie wollen „dreisehn“ sagen. Na und ö erst… Aber sie waren ganz gut. So. Meine Sabbat-Zeit fängt an in Arbeit auszuarten. Denn ein zweites Mal komme ich mit purer Improvisation bei denen nicht durch. Aber ich freu mich drauf.
Vor dem Hustings All Saints und rechts der Glockenturm des ehemaligen Klosters im Abendlicht. | Und heute Abend war „hustings“. Das Wort musste ich nachschlagen. Es heißt Wahlkampf. Denn am 7. Mai wird ein neues Parlament für Westminster gewählt. In All Saints haben heute abend sich die Kandidaten der fünf größten Parteien den Fragen gestellt – also Labour, Torys (Konservative), Libdems (Liberaldemokraten), Grüne und Ukip. Andrew hat moderiert. Man konnte vorher Fragen einreichen. Die meisten kamen über Facebook. Andrew hat das Lieblingsthema von Ukip (die er natürlich nur zähneknirschend eingeladen hat) an den Anfang gestellt, damit das erst mal vom Tisch ist. Einwanderung. Der Ukip-Mann hat dann auch sein Zeug herunter geleiert. „Wir sind nicht gegen Einwanderung. Wir möchten sie aber kontrollieren. Aber als EU-Mitglied haben wir keine Macht, Zuwanderung zu kontrollieren.“ Und dann kam’s: „Wir können nicht einfach Leute ins Land fluten lassen.“ Genau. Das Zerrbild von einer Flut. Da kriegt man gleich das Fürchten. |
Von Eisenberg höre ich im Moment ja betrübliche Nachrichten in dieser Hinsicht. Thügida – wie blöd kann man denn noch sein bei einer Namensgebung? Thüringen gegen die Islamisierung des Abendlandes, da lachen ja die Hühner. Leider ist das Ganze am Ende gar nicht lächerlich. Der Facebook-Seite von Thügida nach sind das eingefleischte Nazis, also keine weichgespülten Rassisten wie in Dresden. Wenn die ausgerechnet am 20. April marschieren wollen, dann ist das kein Zufall. Und wenn das dreimal ein Montag ist. Die Kirchen der Region Eisenberg, habe ich gehört, haben zeitgleich, Montag 19.00 Uhr zum Friedensgebet in die Stadtkirche eingeladen. Finde ich eine gute Sache.
Aber Evesham. Nachdem das Thema Einwanderung vom Tisch war, ging es um die wirklichen Themen. Wohnen – das ist in Großbritannien so teuer, dass es sich vor allem junge Leute nicht leisten können. Dann ging es um die „Bedroom tax“, das ist eine Sparmaßnahme, die der Regierung vor einiger Zeit eingefallen ist. Es bedeutet, dass man Wohngeld nur für den Wohnraum bekommt, den man wirklich bewohnt. In Großbritannien werden Wohnungen weniger nach Quadratmeter bemessen, sondern nach der Anzahl der Schlafzimmer. Also Küche, Bad, Wohnzimmer wird vorausgesetzt. Alle anderen Räume gelten als (potentielle) Schlafzimmer. Und wer davon mehr hat als Personen im Haushalt wohnen, bekommt für die kein Wohngeld, wenn er aus welchen Gründen auch immer verarmt. Das nennen die Gegner umgekehrt dann Steuer für zusätzliche Schlafzimmer. | Von links nach rechts: Labour, Tory, Libdems, Grün und Ukip. |
Die Kirche war voll wie zu Weihnachten. | Einen großen Aufschrei gab es beim Thema TTIP. Das ist ein in Arbeit befindliches Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Daran wird viel kritisiert. Dass es bis 2013 im Geheimen ausgehandelt wurde – mittlerweile gibt es mehr Transparenz. Dass die Bestimmungen so sind, dass bei übernationalen Unternehmen und Unternehmungen der jeweils geringere Standard an Arbeitnehmerrechten, Umwelt- und Arbeitsschutz gelten könnte. Grob, dass dieses Abkommen Profitinteressen schütze, aber nicht so sehr Bürgerrechte. |
Andrew hat die Sache souverän und fair geleitet. Hinterher hat ihm der Tory vorgeworfen, er hätte unter den Einsendungen einseitig Fragen ausgesucht (hat mir Helen erzählt). Und wenn. Es waren die wichtigen Fragen. Es ist Aufgabe der Kirche, die wichtigen Fragen zu stellen.
Ach übrigens. Das europäische Land mit der geringsten Bevölkerungsdichte ist – natürlich Island. Da leben nur drei Menschen auf einem Quadratkilometer. Da könnte man doch nun wirklich noch ein paar von denen Ausländern hinschicken, wäre doch nun wirklich nicht zu viel verlangt. Sollte man Ukip und Thügida mal vorschlagen.