Heute bin ich mal wieder in Stratford gewesen. Zum Gottesdienst bin ich in die dortige Kirche gegangen; Heilige Trinität, Holy Trinity heißt sie. Dort ist Shakespeare getauft worden und in der Kirche liegt er auch begraben. Der Taufstein im Eingang ist aber definitiv jünger – ich würde schätzen, neogotisch, also spätes 19. Jahrhundert. Der Gottesdienst war schön normal. Ein normaler Kirchenchor aus Erwachsenen und Kindern. Der Pfarrer heißt Steve. Das weiß ich, weil er am Anfang seiner Gemeinde „Guten Morgen“ gesagt hat und die Gemeinde “Guten Morgen, Steve“ zurück gerufen hat. Seine Predigt hatte für mich nicht genug „Futter“. Es ging um die Vertreibung der Händler aus dem Tempel. Steve hat zunächst erklärt, was damals passiert ist. |
Die Anwendung auf unsere Zeit begann er mit dem Zugeständnis: „Wenn man in unsere Kirche reinkommt, dann ist ganz am Eingang auch erst mal ein Shop.“ Das macht sich für diesen Predigttext natürlich nicht so gut. Holy Trinity wird jährlich von tausende Touristen besucht; klar gibt es da einen Shop. „Wir müssen uns daher deutlich machen, warum Jesus damals so ärgerlich war.“ Nämlich: Dass die Gläubigen davon abgehalten wurden, Gott zu finden im Tempel. Und wir müssten also dafür sorgen, dass Menschen in dieser Kirche Gott finden können. Erstens, wer sagt, dass sie damals im Tempel nicht Gott gefunden haben? Und war das wirklich der Kern dessen, was Jesus so zornig gemacht hat? Zweitens, wie verhindern wir denn nun wirklich, bloße Museumswärter zu sein? Ich fand alles ein bisschen harmlos. |
Anschließend bin ich nach Charlecote gefahren, das ist ein elisabethanisches Herrenhaus, nur ein paar Meilen entfernt. Ein süßes, märchenhaft anmutendes Schlösschen. Die Architektur des Hauses hat die Royal Shakespeare Company zum Bühnenbild für Love’s Labours’s Lost und Found, angeregt. (Also die beiden Shakespeare-Stücke, die gerade laufen - siehe 13. und 26. Februar.) |
Leider hat es drieselig geregnet. Ich dachte ja, dann habe ich den Ort wenigstens für mich, weit gefehlt! Wenn Engländer sich von Wetter am Sonntagsausflug hindern ließen, kämen sie ja nie aus der Hütte. (Wobei das britische Wetter besser als sein Ruf ist!) Jedenfalls war es krachend voll. Briten sind abgehärtete Leute. Ich bin ein bisschen rumspaziert und hab mich gefreut, wenn ich Elemente wiedererkannt habe, die im Bühnenbild vorkamen. | Den Balkon links haben sie in Stratford nachgebaut. Da hat eine Szene mit dem Prinzen und seinen drei "Studienfreunden" stattgefunden. |
Bibliothek in Charlecote | Auf einem Sims standen Fotos von der letzten Familie, die das Schloss besessen hat. Die hießen Ramsay-Fairfax und hatten sechs Kinder. Die Mutter der Familie hat von 1866 bis 1943 gelebt. 1946 hat die Familie das Haus der Stiftung „National Trust“ geschenkt, weil diese Art zu leben nicht mehr bezahlbar und schon lange, lange nicht mehr zeitgemäß war. Früher machten solche Häuser das ländliche Leben aus. Sie versorgten mit ihrem Betrieb eine Menge Menschen ringsherum. |
Das funktioniert aber nur, wenn jeder „seinen Platz kennt“. Dass ein Küchenmädchen lesen und schreiben lernt, war da nicht erwünscht. Dann fängt sie womöglich an zu träumen. Die Geschichte dieser Art Herrenhäuser ist in Deutschland abrupter zu Ende gegangen ist, weil wir 1918 die Monarchie abgeschafft haben. Hier in England war das eher ein langsames Zerbröckeln – verbunden mit vielen Rückzugsgefechten. | Dieser Kutschentyp heißt "Omnibus" |
Statt einem Schild "Nicht hinsetzen" liegen beim National Trust Disteln auf denkmalsgeschützten Stühlen und Sofas. Wirkungsvoll. | Aber immerhin gibt es die Häuser; sie prägen die englische Landschaft und sind oft wunderschöne Stücke Architektur. Letztes Jahr war ich in Putbus auf der Insel Rügen. Da hat man 1962 das Schloss als Relikt des Klassenfeindes einfach in die Luft gesprengt. Und das Inventar von Heidecksburg und Wernigerode wurde nach und nach in den Westen verramscht, weil der Staat Devisen brauchte. Auch nicht so gut. |
Schließlich war ich in Stratford noch im Kino und habe mir „Viel Lärm um nichts“ ein zweites Mal angeguckt und noch einmal sehr viel Spaß gehabt. Ich hatte ja schon mal von der Opern-Übertragung erzählt (29. Januar). Hier ist es üblich, große Opern- und Theaterinszenierungen landesweit in Kinos zu übertragen. Da haben alle was davon. Das Publikum muss nicht anreisen und zahlt erheblich weniger Eintritt (aber mehr als für einen Kinofilm.) Die Theater haben zusätzliche Einnahmen. Und der Kultur ist auch noch gedient. Ich habe gehört, dass es in Deutschland auch schon ein bisschen so etwas gibt. So kann man sich demnächst im Jenaer Cinestar eine Aufführung aus der Metropolitan Opera New York live angucken. Abgesehen von einer Gymnasialklasse war ich 20 bis 30 Jahre jünger als der Rest des Publikums. Das war in diesem Fall schön – weil es ein sehr informiertes Publikum war, das genüsslich mitgegangenen ist. | Programmheft von Love's Labour's Lost. Das ist ein Modell des Bühnenbildes - man erkennt die Türmchen von Charlecote wieder - und übrigens auch eine Wand der Bibliothek. |